Der Trusted Returns Report 2023: Retouren differenziert zu betrachten bietet mehr Potenzial im After-Sales-Cycle

TR
7th Jun 2023
4 Minuten, 57 Sekunden
Nach beinahe drei Jahren Pandemie kehrt nun wieder Normalität in den Handel ein. Er wurde durch und durch aufgemischt, aber auch der Wertewandel bei Verbrauchern führte zu Unsicherheiten bei Händlern und dem ein oder anderen Fauxpas.

Nun stellt sich die Frage, welche Veränderungen vorübergehend waren, weil sie auf die Pandemie zurückzuführen sind, und welche doch organische Veränderungen im Verhalten der Verbraucher darstellen. Denn neue Prozesse wurden ausprobiert und finden Gefallen, während der bisherige Status Quo der Retoure viele Wünsche nicht erfüllt. Genauere Einblicke in diese Veränderungen und woher sie eventuell rühren, liefert die diesjährige Umfrage von Trusted Returns, durchgeführt durch das Umfrageinstitut OnePoll, mit insgesamt 1.000 Teilnehmern aus Deutschland im Alter über 18. Hinzugezogen werden die Umfragedaten aus den Jahren 2021 und 2022, die unter identischen Rahmenbedingungen durchgeführt wurden.

Vielfältige Kundenbedürfnisse sollten auch auf vielfältige Lösungswege treffen

Im Gegensatz zu den Pandemiejahren halten die deutschen Verbraucher und Verbraucherinnen nach den neuesten Ergebnissen weder den lokalen noch den Online-Handel für kategorisch nachhaltig. Sie sehen für den Online-Handel jedoch Optimierungspotential und verorten dieses weitestgehend bei der Lieferung und Retoure der Ware: Weniger Verpackungsmüll (72 %), Retourenquoten durch bessere Produktbeschreibungen senken (46 %) und eine Verbesserung der Lieferlogistik (45 %). Verfolgt man diesen roten Faden weiter, lässt sich erkennen, dass neben dem allseits unbeliebten Verpackungsmüll bessere Produktbeschreibungen und eine damit einhergehende Reduktion der Retourenquote an sich mit 46 Prozent sogar als besserer Weg zu mehr Nachhaltigkeit gesehen werden als die Verbesserung der Lieferlogistik (45 %). Ferner berichteten mehr als zwei Drittel (67 %) von Makeln oder Problemen mit der Passform und fast die Hälfte (47 %) von Produkten, deren Onlinebeschreibung nicht zum Produkt selbst passten. Über die letzten drei Jahre scheinen Händler aber bereits an der Qualität ihrer Shops gearbeitet zu haben: 2022 wollten 51 Prozent bessere Produktbeschreibungen und 47 Prozent bessere Lieferlogistik. 2021 war der Unterschied noch prägnanter, 50 Prozent wünschten sich weniger Retouren durch bessere Produktbeschreibungen und nur 39 Prozent bessere Lieferlogistik.

Hier ist auffällig, dass diese Probleme nicht immer ein Zurückschicken der Ware und Rückerstattung des Kaufpreises erfordern und daher auch weder die sinnvollste noch die nachhaltigste Lösung sind. Jedoch kamen laut der Umfrage diese Probleme am häufigsten vor. Und genau hier liegt die Kernproblematik, wenn der After-Sales-Cycle nur schwarz-weiß gesehen wird. Denn bei einem kleinen Makel reicht oft ein Preisnachlass, während bei Problemen mit der Passform, oder wenn online der falsche Eindruck erweckt wurde, der Informationsgehalt des Beilegers zu wünschen übriglässt. Wenn ein Händler nicht erkennt, dass der After-Sales-Cycle nicht schwarz-weiß ist, nicht ausschließlich zwischen Zurückschicken oder Behalten pendelt, läuft er Gefahr, Kundenbedürfnisse nur grobschlächtig und plump zu erfüllen.

Mut zu neuen Wegen und Werkzeugen

Denn Kunden sind bei neuen Prozessen und Erlebnissen durchaus aufgeschlossen. So hatten die Teilnehmer der Umfrage reges Interesse an der verpackungslosen Retoure, bei der Amazon-Kunden seit Ende 2022 ihre Retourenartikel ohne Verpackung bei teilnehmenden Versanddiensten abgeben können. 41 Prozent aller Befragten haben diese Art der Retoure ausprobiert und knapp ein Drittel (32 %) von ihnen tatsächlich nur aus Neugier. Angekommen ist diese Form des Rückversandes gut, denn 82 Prozent würden erneut eine Retoure so abwickeln und knapp zwei Drittel (64 %) empfanden den Prozess sogar als nachhaltiger. Zwar lässt sich darüber streiten, ob das Weglassen eines Kartons in Sachen Nachhaltigkeit so viel ausmacht und ob hier nicht doch noch weitere Prozesse oder gar Einweggüter verwendet werden, dennoch wird die Wahrnehmung der Kunden durch die andere Herangehensweise beeinflusst.

Hinzukommt, dass die Kunden nur bedingt den Angaben von Händlern zu ihren Retourenprozessen vertrauen. Gerade einmal 15 Prozent der Teilnehmer bestätigten, dass sie großes Vertrauen in diese Angaben hätten, wohingegen 24 Prozent ihnen kaum vertrauen und weitere 6 Prozent überhaupt nicht. Die Hälfte (50 %) aller Befragten bekundete nur mittelmäßiges Vertrauen und 69 Prozent wünschen sich mehr Transparenz bezüglich der Prozesse, wenn Ware zurückgeschickt wird. So birgt der After-Sales-Cycle in seiner jetzigen Form Frustrationspotential für den Verbraucher.

Beileger als Black Box im Retourenprozess

Der Beileger ist für Verbraucher ein Buch mit sieben Siegeln. Aus seiner Perspektive steckt er das Produkt in einen Karton, legt einen ausgefüllten Zettel dazu, versendet und erhält im besten Fall in einigen Tagen sein Geld zurück. Was dazwischen passiert ist nicht erkennbar. Es wird allerdings immer öfter hinterfragt, warum der Ablauf bei einem kleinen Makel ein und derselbe ist wie bei einer komplett falschen Lieferung. Somit wird ein After-Sales-Cycle, der mehr bietet als die Infrastruktur für Zurückschicken und Kostenrückerstattung, zu einem Werkzeug für die Kundenbeziehung. Denn trotz der Tatsache, dass Kunden nur die Retoureninfrastruktur nutzen können, die ein Händler anbietet, hatte in der diesjährigen Umfrage zum ersten Mal seit 2021 die Retourenplattform (61 %) gegenüber dem Beileger (54 %) die Nase vorn. 2022 hielten sich beide Optionen mit jeweils 65 Prozent noch die Waage, während im Jahr 2021 61 Prozent der Befragten mit einer Retourenplattform in Berührung kamen und 63 Prozent mit dem Beileger.

Zusätzlich birgt der After-Sales-Cycle sogar das Potential, zu einem Alleinstellungsmerkmal für einen Händler zu werden. Bei der Frage, welche Lösungsansätze die Umfrageteilnehmer bei Problemen mit einem Produkt begrüßen würden, waren die Antworten vielfältig. 39 Prozent können sich beispielsweise sehr gut vorstellen ein online bestelltes Produkt vor Ort in einem Laden zurückzugeben. Das legt nahe, dass hier Kontaktaufnahme erwünscht ist, die über einen Beileger hinausgeht. Ein weiteres Drittel (34 %) wünscht sich die Möglichkeit, ein Produkt zu behalten, aber einen Preisnachlass zu erhalten, und ein knappes Viertel (23 %) sehnt sich nach Reparatur- oder Beratungsservices. Zwar möchten 62 Prozent der Teilnehmer weiterhin die Möglichkeit der Retoure mit Beileger, aber das Bedürfnis nach Lösungen, die genauer zum Problem passen als der Rundumschlag aus Zurücksenden samt Kostenrückerstattung, ist spürbar vorhanden.

Wenn die Kundschaft digitaler wird, sollte der Handel es auch werden

Setzt man diese Eindrücke zusammen, entsteht ein Bild von Verbrauchern, die den Status Quo bei der Retoure satt sind. Der jahrzehntealte Prozess wird hinterfragt, das Vertrauen in ihn – und auch in die Angaben des Händlers – sinkt. Andererseits werden Alternativen gerne gesehen, ausprobiert und positiv bewertet. Es ist durchaus möglich, dass es einen regelrechten Umbruch geben wird, sobald ein Händler den Nagel auf den Kopf trifft und das richtige Retourenportfolio für seine Produkte und seine Kunden findet. Jedoch werden Konkurrenten, die erst dann daran denken, ihren After-Sales-Cycle auszubauen, leicht abgehängt.