Die Abläufe für die Arbeit mit Unternehmenskunden haben sich in den letzten Jahren stark verändert: Statt gewohnter, regelmäßiger Großbestellungen wird vermehrt on-demand bestellt. Bestimmte Ware wird jedoch aus Furcht vor Lieferketteninstabilität auf Vorrat angeschafft. Entsprechend wird das Retourenmanagement anspruchsvoller als bisher. All diese Veränderungen im Aftersales der B2B-Händler führen zu komplexeren und kleinteiligeren Prozessen, was wiederum mehr Zeit und Ressourcen bindet. Doch speziell im B2B-Bereich ist es häufig üblich, feste Ansprechpartner für einzelne Unternehmenskunden zu definieren. Dieser Ansatz war auch lange sinnvoll: Unternehmen und Händler setzten auf die persönliche Beziehung. Dabei werden auch die Mitarbeiter auf Händlerseite zu Experten für die Herausforderungen des jeweiligen Unternehmenskunden. Eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe wurde als elementar für die Kundenzufriedenheit erachtet.
Doch Zeiten ändern sich. Auch der B2B-Bereich wurde und wird nicht von der Lieferketteninstabilität der letzten Jahre verschont. Dies befeuerte den Trend zu mehr on-demand getätigten Bestellungen, da Einkäufer die kritischen Produkte lieber bestellen, sobald sie verfügbar sind, statt auf die nächste Großbestellung zu warten.
Mit der steigenden Kleinteiligkeit und der damit einhergehenden Prozesskomplexität braut sich für viele B2B-Händler im Kundenservice etwas zusammen: Es wird zur Herausforderung, Kundenzufriedenheit zu gewährleisten. Denn durch fragmentiertere Prozesse und den Trend zu verstärkten on-demand Bestellungen steigen die Anforderungen an das Service-Level, während gleichzeitig eine größere Arbeitslast entsteht. Ferner bedeuten diese Veränderungen im Kundenverhalten nicht, dass weitere und für B2B-Händler typische Herausforderungen verschwinden – komplexere Zahlungsmodalitäten, Regulatorik und auch individuelle Vertragsbeziehungen sind im B2B-Handel zu beobachten.
Somit entsteht eine schleichend fortschreitende Überlastung der Kapazitäten des Aftersales im B2B-Bereich. Auf dem Spiel steht dabei nichts Geringeres als die Kundenbeziehung selbst. Einkäufer müssen etwaige Verzögerungen oder Fehlbestellungen vor ihren Vorgesetzten verantworten. Dadurch ist die Kunden-Händlerbeziehung im Handel zwischen Unternehmen von vornherein risikoreicher: beim Händler steht mehr Umsatz auf dem Spiel, beim Kunden möglicherweise die Geschäftskontinuität.
Wenn Entscheider bei B2B-Händlern nur beobachten, statt zu handeln, spitzt sich die Situation immer weiter zu, bis nicht mehr genügend Kapazitäten vorhanden sind, um jedes Kundenanliegen zufriedenstellend zu bearbeitet. Dabei ist es entscheidend, dass der Frust und die Überlastung nicht die Kundenbeziehungen belastet. Denn ansonsten werden B2B-Kunden, die durch private Einkäufe höheren Komfort gewohnt sind, einfach zum nächsten Zulieferer wechseln.
Um aus dieser, sich zuspitzenden Situation zu entkommen, empfiehlt es sich, als erstes bei Altlasten anzusetzen. Viele deutsche Handelsunternehmen sind noch im Inbegriff zu digitalisieren. Zwar animiert der Großteil aller Händler heutzutage mit digitalem Komfort und attraktivem Marketing die Kunden zum Kauf. Aber nur in seltenen Fällen wurde das letzte Glied der Customer-Journey so ernst genommen wie der Pre-Sale-Prozess. Händler, deren Kundenbetreuung noch regelmäßig in Ordnern nachschlägt, um Vertragsbedingungen abzugleichen, spüren den Druck schon heute. Bei ihnen ist die Gefahr am größten, im Kundenservice und Aftersales eine Überlastung zu erfahren, wenn die Dynamik sich unverändert weiterentwickelt.
Die Hilfe zur Selbsthilfe auf Kundenseite über ein Self-Service-Portal wäre eine Möglichkeit, für B2B-Händler den Trends entgegenzuwirken, die ihr Back-Office zu überlasten drohen. Wenn Kunden ihre Retoure, Reklamation oder Rücksendung über ein Portal ankündigen und abwickeln können, müssen simplere Anliegen gar nicht mehr über die Tische der Mitarbeiter wandern. Bei dem Trend hin zu vermehrten on-demand Bestellungen steigt auch die Anzahl dieser simpleren Rücksendungen, die automatisiert bearbeitet werden können. Dadurch hätten Mitarbeiter mehr Zeit, um sich komplexeren Themen zu widmen, wie beispielsweise einer Großbestellung, bei der es nur mit wenigen Artikeln ein Problem gibt.
Tools, wie die beschriebenen Self-Service-Portale, liefern zusätzlich Daten aus dieser Schnittstelle zum Kunden. Sie können an andere Abteilungen weitergegeben werden – und im Zweifel entlastet eine Veränderung dort die Mitarbeiter im Aftersales. Denn, wenn online ein falscher Eindruck von einem Produkt entsteht und das Produkt dadurch häufig zurückgeschickt wird, müssen die Mitarbeiter im Aftersales dies auffangen. Oft werden bei Digitalisierungsnachzüglern die Gründe für solche Probleme erst zu spät erkannt. Das Feedback von Kunden findet sich bei ihnen meist nur handschriftlich auf dem ausgefüllten Beileger.
Nur wenn Händler explizit eine Infrastruktur etabliert haben, um dieses Kundenfeedback aus der Logistik an die relevanten Abteilungen weiterzuleiten, ziehen sie einen Mehrwert aus dieser Schnittstelle zum Kunden. In den meisten Fällen dient der Beileger aber nur zur Prüfung der Zulässigkeit einer Warenrücksendung – das Feedback, dass beispielsweise die Farbe des Produkts online ganz anders wirkt als in Person, erreicht weder die Produktentwicklung zur Berücksichtigung, oder das Marketing zur Korrektur der Online-Bilder.
Self-Service-Tools entlasten die Mitarbeiter im Aftersales dadurch doppelt: Rücksendequoten schrumpfen, da Erkenntnisse aus der Rücksendelogistik anderen Abteilungen einen Mehrwert bieten können. Simplere Prozesse können automatisiert oder vom Kunden selbst über das Tool abgewickelt werden.
Spezifische Plattformlösungen, aber auch Lösungen von Anbietern allgemeiner E-Commerce-Software können Händler dabei unterstützen, nicht von den aktuellen Entwicklungen im B2B-E-Commerce in Bedrängnis gebracht zu werden. Eine konsequente Digitalisierung ist der erste Schritt, um für die Zukunft gewappnet zu sein.
Aber auch Händler, die diesen Knoten bereits gelöst haben oder generell technologieaffin sind, sollten den Markt für After-Sales-Lösungen weiterhin beobachten. Denn möglicherweise kommt in diesem Bereich in nicht allzu ferner Zukunft ein Anbieter mit einer KI-gestützten Lösung auf den Markt, die ein noch größeres Augenmerk auf die Automatisierungsdimensionen hat.